Zeitzeugengespräch ...

... mit zwei Menschen, die als Kinder ihren Vater auf gewaltsame Weise verloren haben. Die Väter der beiden waren Mitglied der Verschwörergruppe um Stauffenberg, die am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler verübte, um dem Naziterror ein Ende zu setzen und einen Rechtstaat aufzubauen. Es misslang. Die Folgen sind bekannt.

Im Rahmen eines Seminars für Schülerinnen und Schüler aus zwei 10. Klassen des Johannes Guttenberg Gymnasiums in Waldkirchen (Niederbayern), lernten wir im April 2023 Frauke Hansen und Dr. Axel Smend kennen. Die beiden, die als Kinder das Naziregime überlebt haben und ohne Vater aufwuchsen, haben vier Tage mit den Schülerinnen und Schülern zusammen gelebt und gearbeitet. In der Bildungsstätte der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) auf Kloster Banz, konnte pics4peace als Kooperationspartner des Instituts für Politische Bildung beim Seminar „Widerstand gestern - Widerstand heute“ die spannenden Gespräche zwischen Zeug*innen und Schüler*innen aufzeichnen. Ute Schärmann gestaltete das Programm „Widerstand gestern“; Pia Beckmann erarbeitete mit den Beteiligten das Thema „Widerstand heute“.

Hier sind die Videos. Sie laden auch zum Dialog ein. Schulen, Bildungshäusern und Jugendgruppen sowie allen Interessierten stehen sie ab sofort für das Gespräch über alle Formen des Widerstands gestern und heute zur Verfügung:

Nachdem der Rettungsversuch, Deutschland von seinem Diktator zu befreien, gescheitert war und Hitler überlebt hatte, rächte er sich. Er ließ viele der Kinder der Widerständler noch im Sommer 1944 als Geiseln in ein Nazi-Heim verschleppen.

Die kleine Frauke wurde ihrer Mutter entrissen und kam mit über 40 anderen Kindern nach Bad Sachsa. Dort wollte man ihnen ihre Identität nehmen. Nach Kriegsende konnte sie zu ihrer Mutter zurück. Heute geht Frauke Hansen, deren Vater nach dem misslungenen Attentat hingerichtet wurde, in Seminare und Schulen, spricht über ihre Erfahrungen und mahnt zu Wachsamkeit. „Wehret den Anfängen“, so ihre Erkenntnis und die der Schüler*innen. Autokraten sind wieder im Kommen. Unsere Werte und Rechte zu verteidigen, ist wichtig. Das beginnt im Kleinen, da, wo wir sind. Wo habt ihr das schon mitbekommen?

Auch Axel Smend ist ein sog. Kind des 20. Juli 1944. Noch am selben Tag, nachdem das Attentat gescheitert war, ließ Hitler Stauffenberg und drei weitere Gesinnungsgenossen standrechtlich erschießen. Andere, die zum Widerstand gehörten, ließ er gefangen nehmen und foltern, um möglichst alle Namen der Verschwörer zu erfahren. Die meisten Angeklagten wurden sodann vor dem Volksgerichtshof unter seinem Präsidenten Roland Freisler zum Tode verurteilt und hingerichtet, häufig, ohne dass die Familien der Beteiligten hiervon etwas wussten.

Axels Vater wurde am 8. September 1944 zusammen mit anderen Verschwörern in der Hinrichtungsstätte Berlin Plötzensee durch Erhängen ermordet.
Seine Mutter war noch am 9. September im Hause der Gestapo in Berlin, um etwas über ihren Mann zu erfahren. Der Sachbearbeiter ließ sie im Ungewissen. Erst am 3. Oktober wurde ihr der Vollstreckungsbescheid über die Hinrichtung ihres Mannes zugestellt, einschließlich einer Rechnung über die von ihr zu zahlenden Kosten für die Hinrichtung.

In Seminaren, Kirchen und Schulen spricht Dr. Axel Smend, der sich seit 20 Jahren u.a. in der Stiftung 20. Juli 1944 engagiert, über seine Erfahrungen. Besonders am Herzen liegt ihm die Arbeit mit Jugendlichen und mit den Kooperationsschulen der Stiftung. Neben der Erinnerungsarbeit geht es ihm vor allem um die Lehren und Botschaften der einzelnen Widerstandskreise gegen den Nationalsozialismus in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Er gibt seinen Zuhörenden den Satz mit auf den Weg: „JEDER IST JEMAND!“

Deshalb verdient jede und jeder unseren Respekt. Wo die Achtung und die Rechte Einzelner aufgegeben werden, ist Demokratie in Gefahr. Und unser Einsatz gefragt, dort, wo wir es mitbekommen. Das fängt im Familien- und Freundeskreis an. Wie seht ihr das?

Falls Ihr auch an einem mehrtägigen Seminar zum Thema "Widerstand" mit Zeitzeugen interessiert seid, fragt als Schulklasse beim Institut für Politische Bildung der HSS nach.