Schnack, ein junger Mann mit Elan und Enthusiasmus, gehört zu der Gruppe junger Menschen, die die Kundgebung zum 09. November in Würzburg organisiert haben. Sie haben nicht nur eingeladen und vorbereitet, sondern auch mit inhaltlichen Beiträgen informiert, erinnert, Vergleiche zur Gegenwart gezogen und eindringlich gewarnt. Ein Herzensanliegen, das merkte man. Ob in der Rede von Schnack, seinem jungen Kollegen, dessen Name ich leider nicht kenne (Sorry! Er ist auf dem Foto hier) oder beim Slam-artigen Vortrag von Kassandra, die engagiert ohne jegliche Vorlage unter anderem Szenen von damals aufleben ließ. Zum Schluss kam noch ein junger Mann, der spontan sprechen wollte. Er war von den Sinti und Roma. Seine Tante hat ein Buch über ihre Erlebnisse im Holocaust geschrieben. Eindringlich mahnt er, dass so etwas Menschenverachtendes nie wieder passieren darf. Hut ab vor allen!
Mit auf der Rednerbühne waren auch Benita Stolz, die vor vielen Jahren schon die Stolperstein-Aktion in Würzburg eingeführt hatte und seitdem begleitet sowie der Würzburger Friedenspreisträger Burkhard Hose, der dem Holocaust ein Gesicht gab.
Hose erzählte anschaulich die Geschichte von Ernst Lebermann, einem Würzburger Weinhändler und Juden. Als in der Reichspogromnacht Würzburger ihn in der Scheffelstraße 5 aus seinem Bett holten, hatte er nur mehr Zeit einen Mantel über sein Nachthemd zu werfen. Es musste hart hergegangen sein. Denn auf einem Foto, das ihn einen Tag vor seinem Tod zeigt, sieht man unter dem Revers des Mantels das blutverschmierte Nachthemd.
Die Nationalsozialisten mit SA, SS und Gestapo und Würzburger Bürger, die sich ihrem Zug angeschlossen hatten, liefen durch die Innenstadt, grölten, zerstörten jüdische Geschäfte, plünderten und raubten. Auch die Synagoge in der Domerschulgasse wurde verwüstet. "Es kann alles gegen Juden geschehen, nur darf es keine Toten geben!", sagte Martin Neff, der Leiter der NSDAP-Gruppe Süd zu dem Mob, wie Quellen berichten.
Das bekam auch Ernst Lebermann zu spüren. An Händen und Füßen zerrten sie ihn aus dem Haus, prügelten auf ihn ein und zwangen ihn, ihrem Zug voranzugehen. Erst am Morgen ließen sie von ihm und lieferten ihn im Gefängnis in der Ottostraße ab. Blutüberströmt brach er dort zusammen. Am Tag darauf starb er.
Wie auch bei uns wieder gehetzt wird, davon sprachen die Jungen heute abend auch: Es gibt den typischen Antisemitismus, den man kennt. Viel häufiger aber wird Antisemitismus in Chiffren deutlich. Wenn Leute z.B. Georges Sorros, die Ostküstenfinanzmafia u.a. heute zu Instanzen erklären, die die Welt geißeln werden und deshalb vernichtet werden sollen. Diesen Verschwörungstheorien muss begegnet werden. Das erinnert an früher, als man die Juden immerwieder als Brunnenvergifter bezeichnet hat, die die Pest verursacht hätten und die andere so ausrotten wollten. Haben wir nichts dazu gelernt? Die, die da waren sicherlich!
Hinterher waren wir, Junge und Ältere, aus unterschiedlichen politischen Richtungen und Gruppierungen, aber alle brennend für Demokratie, Menschenrechte und Freiheit, Stolpersteine in der Stadt putzen. Mit Lappen, Bürste, Putzmittel und Wasser, aber auch Kerzen und Blumen zogen wir los. Wir schrubbten, bis die Namen wieder gut kenntlich wurden. Dabei dachten wir an die brutalen, unsagbaren Schicksale dieser Menschen. Zum Schluss entzündeten wir eine Kerze und stellten einen Blumenstock daneben. Damit auch andere sehen: Da war doch was!?!
Jeder ist aufgerufen, Stellung zu beziehen und zu handeln, war die klare Botschaft des Abends. Damals ging es gegen Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, Kranke, Wissenschaftler, Freigeister, Andersdenkende und solche, die diesen Menschen geholfen haben. Jeder von uns kann Opfer sein. Das dürfen wir nie vergessen. Erinnern allein reicht schon lange nicht mehr.