Brief an den Autor von „Kontrovers“

Brief an den Autor von „Kontrovers“, Wolf-Dietrich Weissbach, Nummer 132, April 2018, S. 30., der kritisch auf die Dialogveranstaltung von pics4peace mit Minister und Oberbürgermeister reagiert hat:

Lieber Herr Weissbach,

ich danke Ihnen sehr für Ihren kritischen und engagierten Artikel zum Dialog-Auftakt von pics4peace auf der Festung, der in der Nummer 132 vom April 2018, S. 30, unter der Überschrift „Kontrovers“ erschienen ist. Was mich freut ist, dass Sie sich so ausführlich mit dem Projektansatz von pics4peace auseinandergesetzt haben, was mir durchaus Anregung zum Nachdenken gibt.

Was das Format angeht, hatten wir keine Reden vorgesehen, nur Fragen und Antworten. Diese waren bewusst zeitlich limitert, um damit der Jugend ausreichend Redezeit einzuräumen. Ich geben Ihnen aber absolut recht, dass das Format noch deutlich jünger hätte sein können. Dass beispielsweise alle vorn standen, war steif. Das haben wir im Nachhinein selbst bemerkt. Aber aller Anfang ist schwer. Gewohnte Pfade zu verlassen, birgt immer die Gefahr, auch erst mal zu stolpern. Nur wer die ausgetretenen Wege erst gar nie verlässt, wird auch nie neue Ziele erreichen!

Ich gebe außerdem zu bedenken, lieber Herr Weissbach, Eliteversagen entstand in der Vergangenheit immer wieder auch durch den Hochmut, nicht miteinander zu sprechen. Es nützt wenig, wenn man nur die Situation beklagt, dass sich immer weniger junge Menschen an Demokratie beteiligen und gleichzeitig nicht mit ihnen spricht und sich anhört, was sie wirklich zu sagen haben. „Zuhören statt Ignorieren“, heißt es im Buch „Hört endlich zu!“ von Frank Richter, dem Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, der - um dem Phänomen der AfD näher zu kommen - Anhänger und Gegner von Pegida an einen Tisch holte. Richter zeigt darin, worauf es ankommt: „Konzentriert zuhören. Keine Angst vor Konflikten. Offen für Emotionen. Die Demokratie verteidigen.“

Zuhören statt Ignorieren, muss auch die Devise sein, um die Sprachlosigkeit zwischen der Jugend und den Entscheidern in Wirtschaft und Politik zu überwinden. Ich halte es für konterkarierend, dabei mit dem intellektuellen Erwartungshorizont eines Akademikers die Themen der Jugend und das Gespräch darüber schon im Vorfeld zu klassifizieren und es in „lohnende“ bzw. „nicht lohnende Auseinandersetzungen“ einzuordnen. pics4peace will doch die Gesamtheit dessen kennenlernen, was die Jungen bewegt! Das mag bei den einen Ausgrenzung, Antisemitismus, Gleichberechtigung von Frau und Mann, Machtmissbrauch, Gewalt oder politischer Extremismus sein, wie die Studierenden es formuliert haben, die sich 10 Wochen lang mit ihren Themen auseinandergesetzt haben; bei den anderen ist es die Situation, dass WG-Zimmer zu teuer sind, die Straba nicht ans Hubland fährt, der alte Diesel evt. entsorgt werden muss, obwohl man ihn dringend braucht, um als Pfleger nachts wieder heim aufs Land zu kommen… Politik besteht eben nicht nur aus großen Themen.

Und was Ihre Annahme angeht, geschätzter Herr Weissbach, analog täte es auch: analog allein tut es nicht! Es muss beides zusammenkommen. Analoge Diskussionen, Aktionen und Workshops mit Jugendlichen, wie zuletzt am 19. April 2018 ,mit über 70 jungen Erwachsenen im großen Saal des Matthias-Grünewald-Gymnasiums (auch digital zu sehen auf Instagram über www.pics4peace.de) und online-Aktionen, die alle 16- bis 26-Jährigen einladen, egal woher sie in Deutschland kommen, mitzumachen und auf ihre Art auszudrücken, was sie denken und wollen. Nicht jeder kann so gut schreiben oder fotografieren, wie Sie, Herr Weißbach, um seine Meinung oder Intention zu äußern. Aber er kann z.B. Musik machen und transportiert seine Forderung in einem Song, den er dann postet. Was soll daran bitte falsch sein? Das ist doch nicht „digitales Aufpeppen“, ein „unkritischer Gebrauch“ der digitalen Medien und schon gar nicht etwas, was sich „verheerend für Gesellschaft und Demokratie“ auswirken könnte! Sie schreiben: „… das Netz fördert gesellschaftspolitische Extreme.“ Das kann, erlauben Sie mir den Hinweis, auch ein Zeitungsartikel oder ein Buch. Es kommt ganz darauf an, was drin steht.

Warum lassen wir es mit pics4peace nicht auf einen Versuch ankommen? Ganz vorurteilsfrei. Ich habe die Erfahrung gemacht, das hat auch der letzte Workshop wieder gezeigt, die Jugend- die nunmal das Netz nutzt - weiß durchaus was sie will und was nicht. Sie ist rational UND emotional. Zum Glück!

Studien belegen, dass die meisten Unter-30-Jährigen sich von der Politik nicht vertreten fühlen; die meisten meinen, man könne eh nichts bewirken; und: die Altersgruppe mit dem höchsten Nichtwähleranteil sind eben die unter 30. Dem will pics4peace entgegenwirken.

Es geht darum, junge Erwachsene auf kreative Art anzuregen, sich für Frieden und Demokratie stark zu machen, ihre Meinung zu sagen und zur demokratischen Teilhabe zu motivieren. Dies geschieht im Gespräch mit ihnen, in Workshops mit spannenden, aktuellen Themen analog; und digital auf einer für alle sichtbaren, einfach zugänglichen Online-Plattform, auf der die Teilnehmenden die Möglichkeit erhalten, auf ihre Weise mit ihren „pics4peace“ (Text-, Bild- oder Audio-Beiträge) auszudrücken, was sie bewegt. Die Kombination ist wichtig.

Gleichzeitig entsteht durch die Online-Plattform die Voraussetzung dafür, dass weitere Kommunen sich dieser Ressourcen in den Folgejahren bedienen können, um eigene pics4peace-Projekte umzusetzen. So kann sich das Projekt von Würzburg aus auf andere Regionen ausdehnen und hoffentlich nachhaltig wirksam werden.

Ich will alles tun, um es zu versuchen. Was ist Ihre Alternative?

Hoffend, dass Sie pics4peace auch in Zukunft kritisch begleiten, lieber Herr Weissbach, verbleibe ich mit herzlichem Gruß,
Ihre
Pia Beckmann,
Initiatorin von pics4peace

P.S.: Im Übrigen werden die Anliegen der jungen Menschen alle von mir persönlich bearbeitet und an die jeweils zuständigen Politiker in Kommune, Land und Bund weitergeleitet. Deren Antworten erhält jeder junge Mensch dann ebenso wieder zurück.